Was passiert auf dem "Dragonerareal"1 ?
(historisches Gelände hinter dem Finanzamt Kreuzberg)?

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) hat das als Gewerbegebiet ausgewiesene 5 Hektar große Dragonerareal meistbietend für ca. 21 Mio. € an den Investor ABR German Real Estate verkauft. Der aktuelle Verkehrswert des Areals beträgt nur 9,6 Mio. €.

Das Land Berlin, der Bezirk und der Investor beabsichtigen, den Bebauungsplan für das Areal zu ändern und dieses künftig als Mischgebiet  mit 70% Wohnraum und 30% Gewerbe auszuweisen. Angedacht sind Bauten mit 6 Etagen und bis zu 800 Wohnungen sowie die Ansiedlung von Gewerbe mit Designern, IT-Menschen, Bildhauern …  Für das ansässige Kleingewerbe ist bisher kein alternativer Standort vorhanden.

 Ein großes Gelände des Bundes wird Privatinvestoren für spekulative Wohnungspolitik in die Hand gegeben.

Wenn die BVV den neuen Bebauungsplan genehmigt hat und der durch Altlasten verseuchte Boden entsorgt ist, wird das Gelände schätzungsweise 40 – 50 Mio. € wert sein.Die ABR German Real Estate plant,Teile des Geländes dann an andere Investoren gewinnbringend weiterzuverkaufen.

Der auf dem Areal zu schaffende Wohnraum soll  hochpreisige Eigentumswohnungen, Genossenschaftsbauten und Neubau durch Baugruppen sowie „bezahlbare“ Wohnungen (Nettokaltmieten von 5,50 – 8 €) umfassen. Um diesen „bezahlbaren“ Wohnraum zu finanzieren, planen die Investoren zum einen eine Querfinanzierung, was bedeutet, dass entsprechend viel hochpreisige Wohnflächen entstehen müssen! Außerdem fordern sie, dass der „bezahlbare Wohnraum“ mit öffentlichen Fördergeldern subventioniert wird.

Die Spekulation soll mit Steuergeldern gefördert werden!

Dieses immense Verwertungsgeschäft für Immobilienspekulanten wird politisch als Bauprojekt mit einer gelungenen Mischung aus verschiedenen Wohnformen angepriesen, das den angespannten Wohnungsmarkt entlasten werde.

Wir fragen:

  • Wie kann es sein, dass eine bundeseigene Anstalt in Zeiten der bundesweit angespannten Wohnungssituation  spekulative Verwertungsgeschäfte mit potenziellem Wohnraum tätigt?
  •  Warum kauft nicht der Bezirk oder das Land das Areal von der BIMA zum Verkehrswert, übernimmt Verantwortung und schafft dort wirklich bezahlbaren Wohnraum für diejenigen, die ihn brauchen?
  • Wer kann sich “bezahlbaren Wohnraum“ zur Miete leisten, wenn eine solche Wohnung zwischen 5,50 – 8 €/qm kalt kostet?
  • Inwiefern sorgen diese Neubaupläne der Investoren, des Landes und des Bezirks, für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt?

Wir sagen:

Wieder wird eine Chance vertan, dass der Bezirk oder/und das Land Berlin endlich ihrer Verantwortung gerecht werden, bezahlbaren Wohnraum für diejenigen zu errichten, die ihn dringend brauchen.

Wieder soll in Kreuzberg ausschließlich teurer Wohnraum für diejenigen geschaffen werden, die ihn sich leisten können – wie schon auf dem Schultheiß-Gelände (am Kreuzberg), in der Wartenburgstraße (Gertraudenhospital), in der Grimmstraße (Krankenhaus am Urban, Psychiatrie), in der Fichtestraße (Gasometer), in der Reichenberger Straße (Car Loft), in der Großbeerenstraße...

Wieder einmal verdienen sich Investoren eine goldene Nase. Mit der Verwirklichung ihrer Pläne zur maximalen Verwertung und Gewinnabschöpfung werden Mietsteigerungen im unmittelbaren Umfeld und in den angrenzenden Kiezen forciert – die Verdrängung geht unvermindert weiter.

Wieder will man uns die 10 – 20% bezahlbaren Wohnraums, die angeblich ebenfalls im Rahmen dieses Geschäfts entstehen sollen, als große Errungenschaft verkaufen – dabei werden sie wohl nur dann Wirklichkeit, wenn sie mit Steuergeldern eine öffentliche Förderung erhalten. Ist später die damit verbundene Mietpreisbindung abgelaufen, dürfen Mieterinnen und Mieter wieder die Zeche zahlen, wie u. a. am Tempelhofer Berg, am Kottbusser Tor und in der Düttmannsiedlung. Die Mieten verdoppeln sich und die Menschen verlieren ihre Wohnung und ihren Kiez.

Die Lösung der Probleme auf dem Wohnungsmarkt privaten Investoren zu überlassen, bedeutet die Verschärfung der Probleme.

Wir fordern:

  • Sofortiger Stopp der Spekulation mit dem Gelände!
  • Kauf des Geländes durch das Land Berlin!
  • Die Schaffung kommunalisierten bezahlbaren Wohnraums für Menschen mit geringem Einkommen (Hartz IV, Grundsicherung) auf dem Gelände!
  • Keine Legitimation dieser spekulativen Ziele durch einen fadenscheinigen Beteiligungsprozess von Anwohnenden, der keineswegs ergebnisoffen ist!
  • Transparenz bei geplanten Projekten des Bezirks und des Landes Berlin!
  • Eine wirkliche Beteiligung von unten, d. h. vor der Schaffung von Fakten wie dem Verkauf an den Höchstbietenden, was kaum noch Spielraum lässt!

Für kommunalen und bezahlbaren Wohnraum auf dem Dragonerareal!
Stopp der Spekulation!

1 Angesichts der Ereignisse auf dem Gelände hinter dem Finanzamt (ehemalige Kaserne des Dragoner-Regiments) im Januar 1919, zeugt die Namensgebung "Dragonerareal" von politischer Instinktlosigkeit. Am 11.1.1919 wurden dort 7 Parlamentäre der Besetzer des Vorwärts-Gebäudes, die das Gebäude mit weißer Fahne verlassen hatten um zu verhandeln, von den Dragoner-Soldaten grausam hingemetzelt. Nur weil der Volksbeauftragte für das Militär, Noske, den Befehl zur Erschießung der "restlichen" 300 Besetzer nicht schriftlich erteilen wollte, entgingen diese am Tag darauf der Massenhinrichtung auf demselben Gelände.