23.11.2020 Rede zur Unterschriftenübergabe zum Appell an der Rathausgrünfläche, Yorckstr.10-11
Heute — 23.11.20 um 2 vor 12 — wollten wir die Unterschriften zu unserem „Appell zur dauerhaften Erhaltung der baumbestandenen Rathausgrünfläche und des angrenzenden Spontan-Habitates “Dschungel“ übergeben.
Herr Baustadtrat Florian Schmidt erscheint zur zugesicherte Übergabe der 600 Unterschriftenlsiten an seinem Dienstsitz nicht.
Frau Angela Laich die Sprecherin der Initiative für Stadtnatur und Wachstumswende erklärt:
Das Artensterben findet vor der Haustür statt. Planungsprozesse für Stadt und Biodiversität können erfolgreich und kostengünstig verbunden werden!
Rede zur Unterschriftenübergabe
Sehr geehrter Herr Baustadtrat Schmidt, sehr geehrte Damen und Herren,
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, zu kommen.
Unsere Uhr steht auf 100 Sekunden vor 12. Das ist seit 23.Januar dieses Jahres die offizielle Uhrzeit der „Doomsday Clock”.
Neben atomarer Bedrohung ist der Klimawandel mit seinen Folgen einer der Punkte, die zum Verstellen der Uhr auf kurz vor 12 veranlassten. Noch nie war so spät.
Wir überreichen heute Ihnen, Herr Baustadtrat, die Unterschriften, die wir anlässlich unseres Appells vom 24. Mai dieses Jahres an die BVV und die Stadträte gesammelt haben.
Corona-konform natürlich.
Für die Übergabe wählen wir symbolisch die Grünfläche unseres Bezirksrathauses. Hier werden Entscheidungen getroffen von VertreterInnen, die von uns Bürgern demokratisch gewählt wurden, in der Hoffnung auf eine nachhaltige Stadtentwicklung.
Das Rathaus und die Grünfläche, auf der wir jetzt stehen, ist Bestandteil des „Sanierungsgebietes Rathausblock“.
Die Grünfläche wurde jedoch ohne vorherigen Beschluss der BVV, ohne ökologisch-faunistisches Gutachten, ohne klimatische Untersuchung und trotz der Hinweise des Naturschutzamtes auf wertvollen alten Baumbestand in die Bauplanung mit einbezogen.
Schon in der ersten Voruntersuchungsphase 2015 wurde dieser Ort als „Grüne Lunge“ bezeichnet. Als Ort, der wichtige Ökosystemleistungen erbringt und zwar sowohl für die angrenzende Umgebung als auch über den Kiez hinaus:
Der hier stattfindende Luftaustausch und die Abkühlungseffekte haben positive und unersetzbare Wirkungen in einem hoch verdichteten Bezirk, wo der Schutz vor Klimawandelfolgen dringlicher denn je ist und Probleme nicht mehr an kommende Generationen durchgereicht werden dürfen.
Die Fläche ist bedeutend für urbane Biodiversität, hier befinden sich Lebensstätten besonders und streng geschützter Tier- und Pflanzenarten.
Dennoch sieht der vom Bezirk festgesetzte Siegerentwurf diese dichte Bebauung in dem als “Urbanes Gebiet“ ausgewiesenen Areal vor. Doch es geht hier auch um „unsere“ Grünfläche.
Erinnern wir uns: Im Zuge der Beteiligung und auch in der Untersuchung von Zebralog äußerten die Befragten, sie wünschen sich mehr Grün im Bezirk. Das sogenannte Dragonerareal sollte behutsam bebaut werden, Bäume erhalten und Grünflächen erweitert werden, Spielplätze und Treffpunkte im Freien fehlen im Bezirk…
Seit 2010 werden für Bauvorhaben verstärkt die verbliebenen Freiflächen genutzt. Brachen und Grüne Höfe freigegeben.
All diese Flächen gehen für die Stadtgesellschaft als sozial, ökologisch und klimatisch relevante Orte verloren.
Zusätzlich werden in Parkanlagen hektarweise Strauchhabitate entfernt, offene Flächen versiegelt und somit Orte für Naturbildung und Erholung dramatisch abgewertet. In den ‚umgestalteten‘ Grünanlagen und modernisierten Wohnblöcken sind die Vogelstimmen vielerorts verstummt. Spatzen, Eichhörnchen, Igel -> Fehlanzeige! Schmetterlinge Fragezeichen! Die Artenkenntnis der Berliner Schüler ist laut aktueller Studie miserabel.
Das Artensterben findet vor der Haustür statt und es betrifft die häufigen Arten.
Es kann nicht oft genug gesagt werden, Artenschutz und Bauen, Planungsprozesse für Stadt und Biodiversität können erfolgreich und kostengünstig verbunden werden!
Doch die Realität des prosperierenden Berliner Baubooms sieht anders aus: Die Stadt wird in eine klimaschädigende Glas-Stahl-Beton-Ödnis transformiert, die die Rationalisierung der Parkanlagen einschließt, sozialer Segregation Vorschub leistet, und sukzessive die Rückzugsräume für Menschen und Tiere verschwinden lässt. Jedenfalls für die, die sich nicht schnell genug anpassen und umorientieren können.
Hören Sie den Vögeln zu. Können Sie die Arten bestimmen und ihre Lebensbedingungen benennen?
Erinnern Sie sich an die angenehme Kühle unter den großen Bäumen in den trockenen, heißen Sommermonaten?
Grünflächen sind systemrelevant. Grünflächen bieten Naturerfahrung. Sie tragen zu unserer Gesunderhaltung bei, was besonders in Zeiten von Pandemien ein wichtiges Kriterium der Stadtentwicklung sein sollte.
Das Dragonerareal kann nicht „kompensieren“ was berlinweit im Umgang mit Immobilien, Bodenspekulation und Zweckentfremdung seit Jahren falsch läuft.
Es liegen erste Untersuchungen zur klimatischen Auswirkung der Bebauung des Areals vor. Eine Studie ist in Auftrag gegeben. Wie wirkt sich die geplante Baukörperdichte auf das Klima im Bezirk aus? Neue Hitzeinseln entstehen, weniger Abkühlungsflächen sind vorhanden und weniger Luftaustausch wird möglich.
Sogenannte Ausgleichsflächen gibt es in räumlicher Nähe nicht mehr.
Im Gegenteil: viele und große Bauprojekte sind in der Umgebung in Planung:
Postscheckamt, AGB, Bockbrauerei, Wohnturm Schöneberger Straße, Friedhofsfläche Jüterboger Straße, der Parkplatz der AOK ist im Visier….
Es gibt im Bezirk auch keine Ausweichmöglichkeiten mehr für ortsgebundene bzw. kulturfolgende Vogelarten, weil jahrelang versäumt wurde, Artenschutzrecht in Bauprozesse zu integrieren. In der Regel wird ohne Rücksicht auf geltendes Naturschutzrecht saniert, die Populationen verinseln, nehmen ab, bis sie Erlöschen.
Jede weitere Baumfällung, jede weitere Entnahme von Sträuchern hat somit eine unwiederbringliche Zerstörung von klimatisch relevanten Grünflächen und von urbaner Biodiversität zur Folge.
Die Situation ist nicht vereinbar mit der Ausrufung der Klimanotlage für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg! Sie führt eine Bezeichnung als Kommune der Biologischen Vielfalt ad absurdum!
Der Siegerentwurf muss angepasst werden!
Im Norden des sogenannten Dragonerareales, im Bereich hinter dem Club Gretchen, ist ein riesiger Gewerbeblock, die sogenannte „Urbane Fabrik“, geplant. 24 Meter hoch mit einer versiegelten 2.600 qm großen Rangierfläche für LKW. Das ist der größte zusammenhängende Platz, der für das Areal geplant ist.
Dort wächst ein relativ großes, wertvolles Spontan-Habitat, hervorgegangen aus einer Grünfläche.
Wir nennen es „Gretchendschungel“.
Dort leben unzählige Insekten. Diese Grünfläche sorgt für merkliche Kühlung.
Die Zerstörung würde den unwiederbringlichen Verlust einer weiteren geschützten großen Haussperlingskolonie bedeuten, die seit Jahrzehnten an der Fassade des ehemaligen Stallgebäudes ihre Brutplätze hat.
Mit dem heutigen Datum übergeben wir Ihnen unsere Stellungnahme dazu und die Forderung, auch dieses Habitat dauerhaft zu erhalten. Der Baukörper der „Urbanen Fabrik“ sowie der Rangierhof müssen und können angepasst werden. Es gilt Lösungen nicht weiter zu verschieben, sondern integriert zu planen, für Wohnungen, für Klimaschutz, für Stadtnatur und Erholung.
Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Geduld.
Angela Laich/ Bündnis Stadtnatur in Kreuzberg 61
Heute — 23.11.20 um 2 vor 12 — wollten wir die Unterschriften zu unserem „Appell zur dauerhaften Erhaltung der baumbestandenen Rathausgrünfläche und des angrenzenden Spontan-Habitates “Dschungel“ übergeben.
Herr Baustadtrat Florian Schmidt erscheint zur zugesicherte Übergabe der 600 Unterschriftenlsiten an seinem Dienstsitz nicht.
Frau Angela Laich die Sprecherin der Initiative für Stadtnatur und Wachstumswende erklärt:
Das Artensterben findet vor der Haustür statt. Planungsprozesse für Stadt und Biodiversität können erfolgreich und kostengünstig verbunden werden!
Rede zur Unterschriftenübergabe
Sehr geehrter Herr Baustadtrat Schmidt, sehr geehrte Damen und Herren,
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, zu kommen.
Unsere Uhr steht auf 100 Sekunden vor 12. Das ist seit 23.Januar dieses Jahres die offizielle Uhrzeit der „Doomsday Clock”.
Neben atomarer Bedrohung ist der Klimawandel mit seinen Folgen einer der Punkte, die zum Verstellen der Uhr auf kurz vor 12 veranlassten. Noch nie war so spät.
Wir überreichen heute Ihnen, Herr Baustadtrat, die Unterschriften, die wir anlässlich unseres Appells vom 24. Mai dieses Jahres an die BVV und die Stadträte gesammelt haben.
Corona-konform natürlich.
Für die Übergabe wählen wir symbolisch die Grünfläche unseres Bezirksrathauses. Hier werden Entscheidungen getroffen von VertreterInnen, die von uns Bürgern demokratisch gewählt wurden, in der Hoffnung auf eine nachhaltige Stadtentwicklung.
Das Rathaus und die Grünfläche, auf der wir jetzt stehen, ist Bestandteil des „Sanierungsgebietes Rathausblock“.
Die Grünfläche wurde jedoch ohne vorherigen Beschluss der BVV, ohne ökologisch-faunistisches Gutachten, ohne klimatische Untersuchung und trotz der Hinweise des Naturschutzamtes auf wertvollen alten Baumbestand in die Bauplanung mit einbezogen.
Schon in der ersten Voruntersuchungsphase 2015 wurde dieser Ort als „Grüne Lunge“ bezeichnet. Als Ort, der wichtige Ökosystemleistungen erbringt und zwar sowohl für die angrenzende Umgebung als auch über den Kiez hinaus:
Der hier stattfindende Luftaustausch und die Abkühlungseffekte haben positive und unersetzbare Wirkungen in einem hoch verdichteten Bezirk, wo der Schutz vor Klimawandelfolgen dringlicher denn je ist und Probleme nicht mehr an kommende Generationen durchgereicht werden dürfen.
Die Fläche ist bedeutend für urbane Biodiversität, hier befinden sich Lebensstätten besonders und streng geschützter Tier- und Pflanzenarten.
Dennoch sieht der vom Bezirk festgesetzte Siegerentwurf diese dichte Bebauung in dem als “Urbanes Gebiet“ ausgewiesenen Areal vor. Doch es geht hier auch um „unsere“ Grünfläche.
Erinnern wir uns: Im Zuge der Beteiligung und auch in der Untersuchung von Zebralog äußerten die Befragten, sie wünschen sich mehr Grün im Bezirk. Das sogenannte Dragonerareal sollte behutsam bebaut werden, Bäume erhalten und Grünflächen erweitert werden, Spielplätze und Treffpunkte im Freien fehlen im Bezirk…
Seit 2010 werden für Bauvorhaben verstärkt die verbliebenen Freiflächen genutzt. Brachen und Grüne Höfe freigegeben.
All diese Flächen gehen für die Stadtgesellschaft als sozial, ökologisch und klimatisch relevante Orte verloren.
Zusätzlich werden in Parkanlagen hektarweise Strauchhabitate entfernt, offene Flächen versiegelt und somit Orte für Naturbildung und Erholung dramatisch abgewertet. In den ‚umgestalteten‘ Grünanlagen und modernisierten Wohnblöcken sind die Vogelstimmen vielerorts verstummt. Spatzen, Eichhörnchen, Igel -> Fehlanzeige! Schmetterlinge Fragezeichen! Die Artenkenntnis der Berliner Schüler ist laut aktueller Studie miserabel.
Das Artensterben findet vor der Haustür statt und es betrifft die häufigen Arten.
Es kann nicht oft genug gesagt werden, Artenschutz und Bauen, Planungsprozesse für Stadt und Biodiversität können erfolgreich und kostengünstig verbunden werden!
Doch die Realität des prosperierenden Berliner Baubooms sieht anders aus: Die Stadt wird in eine klimaschädigende Glas-Stahl-Beton-Ödnis transformiert, die die Rationalisierung der Parkanlagen einschließt, sozialer Segregation Vorschub leistet, und sukzessive die Rückzugsräume für Menschen und Tiere verschwinden lässt. Jedenfalls für die, die sich nicht schnell genug anpassen und umorientieren können.
Hören Sie den Vögeln zu. Können Sie die Arten bestimmen und ihre Lebensbedingungen benennen?
Erinnern Sie sich an die angenehme Kühle unter den großen Bäumen in den trockenen, heißen Sommermonaten?
Grünflächen sind systemrelevant. Grünflächen bieten Naturerfahrung. Sie tragen zu unserer Gesunderhaltung bei, was besonders in Zeiten von Pandemien ein wichtiges Kriterium der Stadtentwicklung sein sollte.
Das Dragonerareal kann nicht „kompensieren“ was berlinweit im Umgang mit Immobilien, Bodenspekulation und Zweckentfremdung seit Jahren falsch läuft.
Es liegen erste Untersuchungen zur klimatischen Auswirkung der Bebauung des Areals vor. Eine Studie ist in Auftrag gegeben. Wie wirkt sich die geplante Baukörperdichte auf das Klima im Bezirk aus? Neue Hitzeinseln entstehen, weniger Abkühlungsflächen sind vorhanden und weniger Luftaustausch wird möglich.
Sogenannte Ausgleichsflächen gibt es in räumlicher Nähe nicht mehr.
Im Gegenteil: viele und große Bauprojekte sind in der Umgebung in Planung:
Postscheckamt, AGB, Bockbrauerei, Wohnturm Schöneberger Straße, Friedhofsfläche Jüterboger Straße, der Parkplatz der AOK ist im Visier….
Es gibt im Bezirk auch keine Ausweichmöglichkeiten mehr für ortsgebundene bzw. kulturfolgende Vogelarten, weil jahrelang versäumt wurde, Artenschutzrecht in Bauprozesse zu integrieren. In der Regel wird ohne Rücksicht auf geltendes Naturschutzrecht saniert, die Populationen verinseln, nehmen ab, bis sie Erlöschen.
Jede weitere Baumfällung, jede weitere Entnahme von Sträuchern hat somit eine unwiederbringliche Zerstörung von klimatisch relevanten Grünflächen und von urbaner Biodiversität zur Folge.
Die Situation ist nicht vereinbar mit der Ausrufung der Klimanotlage für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg! Sie führt eine Bezeichnung als Kommune der Biologischen Vielfalt ad absurdum!
Der Siegerentwurf muss angepasst werden!
Im Norden des sogenannten Dragonerareales, im Bereich hinter dem Club Gretchen, ist ein riesiger Gewerbeblock, die sogenannte „Urbane Fabrik“, geplant. 24 Meter hoch mit einer versiegelten 2.600 qm großen Rangierfläche für LKW. Das ist der größte zusammenhängende Platz, der für das Areal geplant ist.
Dort wächst ein relativ großes, wertvolles Spontan-Habitat, hervorgegangen aus einer Grünfläche.
Wir nennen es „Gretchendschungel“.
Dort leben unzählige Insekten. Diese Grünfläche sorgt für merkliche Kühlung.
Die Zerstörung würde den unwiederbringlichen Verlust einer weiteren geschützten großen Haussperlingskolonie bedeuten, die seit Jahrzehnten an der Fassade des ehemaligen Stallgebäudes ihre Brutplätze hat.
Mit dem heutigen Datum übergeben wir Ihnen unsere Stellungnahme dazu und die Forderung, auch dieses Habitat dauerhaft zu erhalten. Der Baukörper der „Urbanen Fabrik“ sowie der Rangierhof müssen und können angepasst werden. Es gilt Lösungen nicht weiter zu verschieben, sondern integriert zu planen, für Wohnungen, für Klimaschutz, für Stadtnatur und Erholung.
Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Geduld.
Angela Laich/ Bündnis Stadtnatur in Kreuzberg 61