Das Urteil des Landgerichts Berlin in Sachen Eigenbedarfskündigung vom 25.01.2024 ist ein Blendwerk!
Am 25.01.2024 hat das Landgericht Berlin ein Urteil in Sachen Kündigung wegen Eigenbedarf gefällt (1) und später in einer Pressemitteilung veröffentlicht (2).
Eine Pressemitteilung zu einem Landgerichtsurteil ist eher ungewöhnlich und deutet auf eine besondere Bedeutung des Urteils hin.
Die Besonderheit dieses Urteils besteht darin, dass das Gericht "die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Dauer von zwei Jahren angeordnet" hat, obwohl die Mieter:innen den Prozess um ihren Wohnraum verloren haben.
Die Möglichkeit der Fortsetzung eines Mietverhältnisse trotz rechtskräftiger Kündigung sieht die sogenannte Sozialklausel oder auch Härtefallregelung im BGB §§ 574 Absatz 1 und 2 vor (3).
Üblich war bisher eine angeordnete Fortsetzung des Mietverhältnis von höchstens 1 Jahr. Die Fortsetzung für 2 Jahre begründet das Berliner Landgericht mit der angespannten Wohnsituation in der gesamten Stadt, was z.B. durch die Mietenbegrenzungsverordnung (MietBegrV Bln) belegt sei.
Diese veränderte Rechtssprechung ist auf positive Resonanz gestoßen, z.B beim Berliner Mieterverein BMV (4).
Wir sehen dies anders und halten das Urteil für ein Blendwerk, dessen mögliche negativen Folgen die vermeintliche positive Regelung übertreffen könnte:
Als erstes gilt festzuhalten, dass das Landgericht Berlin in diesem Urteil vom 25.01.24 den Eigenbedarf der Vermieterin anerkannt hat. Das Amtsgericht (3) Mitte hatte die zu verhandelnde Eigenbedarfskündigung aus formalen Gründen abgelehnt.Folglich ist das Urteil des Landgericht ein Urteil zu Ungunsten der Mieter:innen.
Die Mieterinnen werden also ihre Wohnung für Personen, die Geld haben unsere Wohungen zu kaufen, verlassen müssen.
Das Gericht bestätigt damit, dass das gesellschaftliche Problem der Wohnungsnot, individuell zu lösen sei, indem die Menschen, die sich Wohnungen kaufen können, andere Menschen aus ihrer Wohnung werfen und im schlimmsten Fall in die Wohnungslosigkeit drängen dürfen.
Das Gericht ist sich des aktuellen gesellschaftlichen Problems der Wohnungsnot bewusst und räumt deshalb den Mieter:innen eine "Fortdauer des Mietverhältnisse" für 2 Jahre ein.
Dies ist im Vergleich zu Urteilen mit Bezug auf die sog. Sozialklausel (§§ 574 Abs. 1 und 2 BGB) eine Verbesserung, da diese bis jetzt nur eine Wohnrechtsverlängerung von höchstens einem Jahr vorsieht.
Dass die Mieterinnen nun länger in ihrer Wohnung bleiben können, sei möglich da der Eigenbedarf der Vermieterin "nicht so dringend" sei.
Was der neu eingeführte Begriff eines Eigenbedarfes, der "nicht so dringend" sei, konkret sein soll, bleibt zweifelhaft.
Bis jetzt galt die Rechtssprechung, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigung das ausreichende konkrete "Benötigen" festzustellen sei. Gibt es Zweifel daran, weil z.B. der Eigenbedarf erst später eintritt, ist dies eine Vorratskündigung. Sogenannte Vorratskündigungen sind unzulässig. (6)
Wir betrachten das aktuelle Urteil als eine Einführung der Vorratskündigung durch die Hintertür.
Desweiteren wird den Mieter:innen zwar ein weiteres auf 2 Jahre befristetes Wohnrecht gewährt, jedoch einhergehend mit einer Erhöhung der Miete auf das "markt-üblichen" Niveau.
Das Anheben der aktuellen Nettokaltmiete auf den marktüblichen Satz ist genau das, was wir bereits in Fällen von Erhebung von Nutzungsentgeld in Höhe des marktüblichen Satzes ablehnen. Denn für viele betroffene Mieter:innen ist die aktuelle marktübliche Miete schon lange nicht mehr bezahlbar.
Auch die Fortsetzung des Mietverhältnis auf nur 2 Jahre befristet, betrachten wir kritisch. Was soll sich in den nächsten 2 Jahren auf dem Wohnungsmarkt ändern?
Ausserdem: was sind 2 Jahre, wenn es um den Verlust der Wohnung, des sozialen Umfeldes geht!
Letztlich — wird das Urteil an den Gerichten nun vermehrt angewendet und die Richter:innen 'waschen sich dadurch rein', dass sie einsehen, dass auf diesem angespannten Wohnungsmarkt für die Mieter:innen keine neuen bezahlbaren Wohnungen zu finden sind, verfestigen sie den gesellschaftlichen Missstand und eine der wichtigsten Ursachen der Angst von uns Mieter:innen um unseren Wohnraum, dass der Eigenbedarfsanspruch der Eigentümer:innen über ALLEM steht!
1) Landgericht Berlin II: Urteil vom 25. Januar 2024, Aktenzeichen: 67 S 264/22
2) https://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2024/pressemitteilung.1409729.php
3) https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__574.html
4) https://www.berliner-mieterverein.de/presse/pressearchiv/berliner-mieterverein-begruesst-urteil-des-landgerichts-berlin-zum-haertegrund-bei-eigenbedarf-es-gibt-keinen-leistbaren-ersatzwohnraum-fuer-geringverdiener-pm2403.htm
5) Amtsgericht Mitte: Urteil vom 8. September 2022, Aktenzeichen: 117 C 257/21
6) BVerfG ZMR 1990, 448; BGH NJW 2005, 580
Am 25.01.2024 hat das Landgericht Berlin ein Urteil in Sachen Kündigung wegen Eigenbedarf gefällt (1) und später in einer Pressemitteilung veröffentlicht (2).
Eine Pressemitteilung zu einem Landgerichtsurteil ist eher ungewöhnlich und deutet auf eine besondere Bedeutung des Urteils hin.
Die Besonderheit dieses Urteils besteht darin, dass das Gericht "die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Dauer von zwei Jahren angeordnet" hat, obwohl die Mieter:innen den Prozess um ihren Wohnraum verloren haben.
Die Möglichkeit der Fortsetzung eines Mietverhältnisse trotz rechtskräftiger Kündigung sieht die sogenannte Sozialklausel oder auch Härtefallregelung im BGB §§ 574 Absatz 1 und 2 vor (3).
Üblich war bisher eine angeordnete Fortsetzung des Mietverhältnis von höchstens 1 Jahr. Die Fortsetzung für 2 Jahre begründet das Berliner Landgericht mit der angespannten Wohnsituation in der gesamten Stadt, was z.B. durch die Mietenbegrenzungsverordnung (MietBegrV Bln) belegt sei.
Diese veränderte Rechtssprechung ist auf positive Resonanz gestoßen, z.B beim Berliner Mieterverein BMV (4).
Wir sehen dies anders und halten das Urteil für ein Blendwerk, dessen mögliche negativen Folgen die vermeintliche positive Regelung übertreffen könnte:
Als erstes gilt festzuhalten, dass das Landgericht Berlin in diesem Urteil vom 25.01.24 den Eigenbedarf der Vermieterin anerkannt hat. Das Amtsgericht (3) Mitte hatte die zu verhandelnde Eigenbedarfskündigung aus formalen Gründen abgelehnt.Folglich ist das Urteil des Landgericht ein Urteil zu Ungunsten der Mieter:innen.
Die Mieterinnen werden also ihre Wohnung für Personen, die Geld haben unsere Wohungen zu kaufen, verlassen müssen.
Das Gericht bestätigt damit, dass das gesellschaftliche Problem der Wohnungsnot, individuell zu lösen sei, indem die Menschen, die sich Wohnungen kaufen können, andere Menschen aus ihrer Wohnung werfen und im schlimmsten Fall in die Wohnungslosigkeit drängen dürfen.
Das Gericht ist sich des aktuellen gesellschaftlichen Problems der Wohnungsnot bewusst und räumt deshalb den Mieter:innen eine "Fortdauer des Mietverhältnisse" für 2 Jahre ein.
Dies ist im Vergleich zu Urteilen mit Bezug auf die sog. Sozialklausel (§§ 574 Abs. 1 und 2 BGB) eine Verbesserung, da diese bis jetzt nur eine Wohnrechtsverlängerung von höchstens einem Jahr vorsieht.
Dass die Mieterinnen nun länger in ihrer Wohnung bleiben können, sei möglich da der Eigenbedarf der Vermieterin "nicht so dringend" sei.
Was der neu eingeführte Begriff eines Eigenbedarfes, der "nicht so dringend" sei, konkret sein soll, bleibt zweifelhaft.
Bis jetzt galt die Rechtssprechung, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigung das ausreichende konkrete "Benötigen" festzustellen sei. Gibt es Zweifel daran, weil z.B. der Eigenbedarf erst später eintritt, ist dies eine Vorratskündigung. Sogenannte Vorratskündigungen sind unzulässig. (6)
Wir betrachten das aktuelle Urteil als eine Einführung der Vorratskündigung durch die Hintertür.
Desweiteren wird den Mieter:innen zwar ein weiteres auf 2 Jahre befristetes Wohnrecht gewährt, jedoch einhergehend mit einer Erhöhung der Miete auf das "markt-üblichen" Niveau.
Das Anheben der aktuellen Nettokaltmiete auf den marktüblichen Satz ist genau das, was wir bereits in Fällen von Erhebung von Nutzungsentgeld in Höhe des marktüblichen Satzes ablehnen. Denn für viele betroffene Mieter:innen ist die aktuelle marktübliche Miete schon lange nicht mehr bezahlbar.
Auch die Fortsetzung des Mietverhältnis auf nur 2 Jahre befristet, betrachten wir kritisch. Was soll sich in den nächsten 2 Jahren auf dem Wohnungsmarkt ändern?
Ausserdem: was sind 2 Jahre, wenn es um den Verlust der Wohnung, des sozialen Umfeldes geht!
Letztlich — wird das Urteil an den Gerichten nun vermehrt angewendet und die Richter:innen 'waschen sich dadurch rein', dass sie einsehen, dass auf diesem angespannten Wohnungsmarkt für die Mieter:innen keine neuen bezahlbaren Wohnungen zu finden sind, verfestigen sie den gesellschaftlichen Missstand und eine der wichtigsten Ursachen der Angst von uns Mieter:innen um unseren Wohnraum, dass der Eigenbedarfsanspruch der Eigentümer:innen über ALLEM steht!
1) Landgericht Berlin II: Urteil vom 25. Januar 2024, Aktenzeichen: 67 S 264/22
2) https://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2024/pressemitteilung.1409729.php
3) https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__574.html
4) https://www.berliner-mieterverein.de/presse/pressearchiv/berliner-mieterverein-begruesst-urteil-des-landgerichts-berlin-zum-haertegrund-bei-eigenbedarf-es-gibt-keinen-leistbaren-ersatzwohnraum-fuer-geringverdiener-pm2403.htm
5) Amtsgericht Mitte: Urteil vom 8. September 2022, Aktenzeichen: 117 C 257/21
6) BVerfG ZMR 1990, 448; BGH NJW 2005, 580