Wir — die Stadtteilinitiative WEM GEHÖRT KREUZBERG — möchten gerne die Karte der Verdrängungsprozesse für "61" aktualisieren: viele Mietshäuser haben nicht nur die Abgeschlossenheitserklärung, sondern sind mittlerweile in Eigentumswohnungen umgewandelt. Kündigungen wegen 'Eigenbedarf' haben Hochkonjunktur. Ferienwohnungen in lukratives möbliertes, zeitlich befristetes Wohnen übertragen. Kleingewerbetreibende verdrängt...
Schaut doch mal in der Karte nach, ob in euren Häusern Daten aktualisiert werden sollten oder ob euer Haus überhaupt schon auf der Karte ist.
One struggle, one fight! Aufruf zur Solidarität mit der R94 und dem M99

Soli-Aufruf von andere zustände ermöglichen (aze) zur Rigaerstr. und zum M99

Dieser Text ruft dazu auf sich an den kommenden Demonstrationen zu beteiligen und sich je nach Möglichkeit eine aktive Rolle in den Protesten zu suchen. Wir sprechen uns dafür aus, die Räumungen in der R94 und die angedrohte Räumung des M99 als Verbindungspunkte vieler stadtpolitischer Kämpfe zu sehen und sich solidarisch in diese Konflikte zu stürzen.

Gegen die Obrigkeitsstadt

Diese Bilder kennen wir doch: Die Polizei riegelt ganze Straßenzüge ab, besetzt auf illegaleweise Hauseingänge und -dächer, kontrolliert den Zugang der Bewohner*innen und erklärt willkürlich einem ganzen Viertel polizeilichen Terror und Ausnahmezustand.
Die derzeitigen polizeilichen Taktiken in der Rigaerstraße und die sie umgebende Atmosphäre werden wir auch zur Räumung des M99 erwarten müssen.
Sie kopieren den gewaltsamen Angriff auf die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauerstraße, als im Juni und Juli 2014 tausende Bullen aus ganz Deutschland den von den Grünen damals als "freiwilligen Umzug" verniedlichten Angriff der Regierung auf die kämpfenden Refugees organisierten.
Die Bullen wollen damit Protest durch ihre schiere Masse ersticken, Selbtsorganisierung als unmöglich erscheinen lassen und Bewegungen mit einem Gefühl der Ohnmacht nach Hause schicken.
Diese Bilder zeigen uns, dass das Streben nach Autonomie und Selbstbestimmung, Versuche der Selbstorganisierung und der Aufstand der Geflüchteten mit ähnlichen Strategien der Repression bekämpft werden wie nun die zeckigen Freiräume in der Rigaerstraße oder der M99 als linke Infrastruktur.
Die Kämpfe um die Ohlauer und den Oranienplatz und nun in der Rigaerstraße sind nicht gleich, nein, aber sie haben zum Teil den gleichen Feind: Kontrolle, Überwachung, Unterdrückung und die Institutionen, die das konkret durch setzen: Innensenator, Polizei, Bezirksbürgermeisterin, kurz: Regierung.

United Neighbours

Aber vielmehr als die uns aufgezwungene Repression, ist es unsere Suche nach Verbindung und Solidarität, die das Gemeinsame schaffen. Den Kämpfen um eine Stadt für Alle ist klar, dass sich die Bedürfnisse und Notwendigkeiten von Menschen nicht gegeneinander ausspielen lassen dürfen. Ob Geflüchtete oder Obdachloser, ob Punkerin oder linker Partystudent: es geht nicht um eine gerechtere Verteilung des Mangels. Es geht um das Brechen der Macht, die uns den Mangel aufzwingt. Hartz-4-Bezieher*innen sollen an den Stadtrand, Geflüchteten soll eine Turnhalle und vorgesetzte Magerkost reichen.
Wer verwertbar ist, könne ja arbeiten und wer tüchtig arbeite, bekäme dann ja ein teures Zimmer in der Innenstadt. Und auch das nur unter Vorbehalt des staatlich zugestandenen Status und des gesellschaftlichen Rassismus auf dem Wohnungsmarkt.
Unter dem Label United Neighbours hatte sich schon während der Refugee-Kämpfe am O-Platz die Position gezeigt, sich nicht trennen zu lassen, gemeinsam zu kämpfen. Die Kadterschmiede in der Rigaer 94 war so ein Ort, an dem diese Haltung versuchte Wirklichkeit zu werden: Geflüchtete aus Lichtenberg konnten hier selbstorganisiert kochen und Teil der linken Infrastruktur werden. Damit konnten sie der staatlichen Ausgrenzung und Entmündigung zumindest teilweise entkommen.
Darüber hinaus steht die Rigaer 94 auch symbolisch für alle weiteren Hausprojekte, die den Geflüchteten die dringend benötigte Unterstützung boten, als diese von der Berliner Regierung verarscht, gespalten und bekämpft und in der Ohlauerstraße von einem Tag auf den anderen hundertfach in die Obdachlosigkeit getrieben wurden. Linke Szeneräume wie die R94 sind daher keine Blase, sie sind ein notwendiges Element emanzipatorischer Strukturen.

Zusammen bleiben

All die gemeinsam erkämpften Erfahrungen nützen nichts, wenn wir sie vergessen. "Es geht auch ohne Henkel" und das Bild der Tasse, deren Henkel abbricht, sind Slogans, die im Kampf der Geflüchteten gegen die menschenverachtende Politik des Innensenators aufgekommen sind und nun zurecht wieder aufgegriffen wurden.
Wir greifen sie auf in der Gewissheit, dass dies kein isolierter Kampf um ein paar Quadratmeter Szene im Friedrichshainer Nordkiez ist. Wir können hier Teile des Kampfes fortsetzen, der 2014 erst durch die städtiche Politik niedergedrückt und dann durch die rassistische Bewegung in den Hintergrund gedrängt wurde.
Lasst uns den nun aufkommenden Kampf nutzen, um die Dinge zusammen zu denken. Lasst uns die Verbindungen stärken, die Allianzen erneuern, über Grenzen des Lebensstils, der politischen Organisierung, der gesellschaftlichen Spaltungen hinweg.
Die R94 steht nicht nur für sich, sie ist Teil eines Kiezes, der sich Gentrifizierung und Aufwertung widersetzt und sich entschlossen gegen Angriffe wehrt, ob diese von Nazis kommen durch Schikanen der Polizei. Henkel nutzt seine letzten Monate vor der Wahl im September für seine rechte Politik, nutzen wir seine Anmaßungen für eine gemeinsame Wut, für eine gemeinsame Bewegung.
Die Willkommensinitiative "Moabit Hilft" beispielsweise hat der Räumung der R94 direkt widersprochen und sich solidarisch erklärt. Der vom Eigentümer angebrachte Räumungsgrund, das angeblische Schaffen von Wohnraum für Geflüchtete, sei bloß ein zynischer Vorwand. Die Geflüchteten in der Bornitzstraße 102 in Lichtenberg reagierten am 4. Juli mit einer Demonstration, die vom entmündigenden Lager bis zur Rigaer 94 zog, auf die Räumung. One struggle, one fight!

Die Reaktionen auf die Räumung zeigen aus sich heraus, dass es hier nicht um ein isoliertes lokales Szeneproblem geht: die Proteste richten sich gegen Jobcenter, gegen Immobilienfirmen, gegen die Polizei etc. Sie greifen verschiedene schon existierenden Kämpfe auf und geben diesen einen gemeinsamen Rahmen. Diese Tendenz kann ausgeweitet werden. Wir sind Teil dieser Stadt, verstrickt in ihre Veränderung und befähigt in diese ein zu greifen. Es ist Zeit für ein bisschen Offensive.

Nehmen wir die zeitliche Dichte der Räumungen und Räumungsdrohungen als Chance für eine neue stadtpolitische Bewegungsphase.

Sa 09.07. um 20:30 Uhr Wismarplatz (U5 Samariterstraße), Demonstration für die R94
Di 09. 08. den ganzen Tag gegen die Räumung des M99

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